Kategorie: Politik

  • Proteste in Bangladesch

    Proteste in Bangladesch

    Wenn Du das hier nicht zufäl­lig gera­de nackt liest, ist die Wahr­schein­lich­keit recht hoch, dass Du min­des­tens ein Klei­dungs­stück trägst, das in Ban­gla­desch pro­du­ziert wur­de.

    Und dort brennt es ganz gewal­tig.

    Seit Mona­ten gehen dort Student*innen auf die Stra­ße, um gegen ein von der Regie­rung ein­ge­führ­tes Quo­ten­sys­tem für Arbeits­plät­ze im öffent­li­chen Sek­tor zu pro­tes­tie­ren.
    Die­ses Quo­ten­sys­tem bevor­teilt in aller ers­ter Linie Vete­ra­nen des in den 1970ern statt­ge­fun­de­nen Frei­heits­krie­ges gegen Paki­stan sowie deren Fami­li­en.
    Gera­de jun­gen Leu­ten hat die­ser Akt der Vet­tern­wirt­schaft die letz­te Hoff­nung auf ein finan­zi­ell abge­si­cher­tes Leben in Ban­gla­desch genom­men.

    Den Pro­tes­ten wur­de von Sei­ten des Staa­tes zunächst mit äußers­ter Gewalt begeg­net — neben Inter­net­sper­ren und dem tage­lan­gen Her­un­ter­fah­ren des Ban­ken­sys­tems sind unter den Pro­tes­tie­ren­den bis­her etwa 400 Todes­op­fer zu ver­zeich­nen.

    Dann geschah aller­dings etwas durch­aus Bemer­kens­wer­tes:
    Ande­re Tei­le der Bevöl­ke­rung soli­da­ri­sier­ten sich mich den Student*innen, so auch die Mitarbeite*innen aus dem Tex­til­sek­tor, der für 90% der Expor­te in Ban­gla­desch ver­ant­wort­lich ist.

    Textilarbeiter*innen waren schon län­ger Ziel von Gewalt sei­tens der Regie­rung, da sie immer wie­der für höhe­re Min­dest­löh­ne und bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen demons­triert haben, und ähn­lich behan­delt wor­den sind wie die pro­tes­tie­ren­den Student*innen.

    Anfang August floh die Pre­mier­mi­nis­te­rin Sheikh Hasi­na per Heli­ko­pter vor dem Druck der Pro­tes­tie­ren­den, seit dem führt der Frie­dens­no­bel­preis­trä­ger Muham­mad Yunus eine von der Armee gestütz­te Inte­rims-Regie­rung.

    Hört sich gut an? Geht so.

    Auf der einen Sei­te hat Ban­gla­desch ver­mut­lich noch nie bes­se­re Chan­cen für einen tief­grei­fen­den, gesell­schaft­li­chen Wan­del gehabt.

    Vie­le der wich­ti­gen Tex­til­fa­bri­ken gehö­ren Fami­li­en, die der bis­her herr­schen­den, und offen­sicht­lich gera­de sehr unbe­lieb­ten Par­tei der geschass­ten Pre­mier­mi­nis­te­rin ange­hö­ren.
    Die­ser Riss in den eta­blier­ten Macht­struk­tu­ren gibt der Bevöl­ke­rung viel­leicht die Mög­lich­keit für mehr Mit­be­stim­mung und eine gerech­te­re Ver­tei­lung von Gewin­nen.

    Aber natür­lich springt der Kapi­ta­lis­mus dem Land gera­de mit dem nack­ten Arsch ins Gesicht:

    Den Tex­til­mar­ken, die bis­her güns­tig in Ban­gla­desch haben pro­du­zie­ren las­sen (ja, auch die meis­ten Bio- und Fair­trade-Mar­ken, don’t get yours­elf foo­led) , ist im End­ef­fekt natür­lich völ­lig egal, in wel­chem Land sie pro­du­zie­ren las­sen.
    Schon wäh­rend der Pro­tes­te haben eini­ge Mar­ken ihre Auf­trä­ge stor­niert, offe­ne Gehäl­ter nicht gezahlt und ihre Pro­duk­ti­on ein­fach in ande­re Län­der ver­legt.

    Ein Land im gesell­schaft­li­chen Umbruch, des­sen Bevöl­ke­rung nun auch noch wirt­schaft­lich mas­siv unter Druck gesetzt wird — dass es da noch­mal knallt ist mehr als wahr­schein­lich.

    Mei­nes Erach­tens haben die Tex­til­händ­ler, die seit Jahr­zehn­ten gute Gewin­ne mit der Aus­beu­tung von Arbeiter*innen aus Ban­gla­desch machen die Pflicht, die­sen Men­schen auch jetzt bei­zu­ste­hen, und den Wan­del nicht zuletzt finan­zi­ell zu unter­stüt­zen.

    Eini­ge tun das tat­säch­lich auch, Vie­le wis­sen aber auch dass für ihre Kund*innen (DICH!) nur zählt dass sie mög­lichst wenig für ihr T‑Shirt bezah­len.

    Schaut doch mal auf den Zet­tel in eurem Lieb­lings-Shirt und recher­chiert, wie der Her­stel­ler mit der Situa­ti­on in Ban­gla­desch umgeht.

    Das Ziel ist nicht, kei­ne Kla­mot­ten aus Ban­gla­desch mehr im Schrank zu haben, das ist eh so gut wie unmög­lich und killt die Wirt­schaft dort (Yeah, Glo­ba­li­sie­rung!).

    Aber gezielt die Klei­dung von Mar­ken kau­fen (und auch auf Zwi­schen­händ­ler ein­wir­ken), die sich ihrer gesell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung in den Pro­duk­ti­ons­län­dern stel­len ist mach­bar und macht schon einen gro­ßen Unter­schied.